Bert Hellinger:

Der Frieden und das Höhere

Das Familienstellen zeigt, wie das Ausgeschlossene wieder hereingenommen und integriert werden kann. Es wir nicht absorbiert, sondern als anders und dennoch gleichberechtigt anerkannt. Das ist die Grundlage für Frieden, sowohl in uns als auch in der Familie und zwischen größeren menschlichen Gruppen.

Dem steht entgegen, dass der Einzelne in seinem Gefühl und in dem, was er für gut und richtig hält, begrenzt bleibt. Er kann das, was jenseits dieser Grenzen anders ist, nur schwer verstehen. Oft verurteilt und bekämpft er es, oder er versucht, es so zu ändern, dass es dem Eigenen gleich wird.

Wir können aber auch ganz anders damit umgehen. Statt dass wir das Entgegengesetzte bekämpfen, geben wir ihm einen Platz, ohne es verändern zu wollen. In dem Augenblick überschreitet der Einzelne seine Grenzen und erlaubt den anderen auch, ihre Grenzen zu überschreiten. Dann suchen und finden sie vielleicht auf einer höheren Ebene etwas Gemein­sames. Sie bleiben verschieden, dennoch sind sie vor etwas Höherem miteinander verbunden.

Was ist dieses Höhere, dem wir offensichtlich ausgeliefert sind? Es ist das, was die Unter­schiede will. Mehr noch, es will nicht nur die Unterschiede, es will auch die Auseinander­setzung und den Konflikt zwischen ihnen. Denn erst nach dem Konflikt und nach der Aus­einandersetzung ist zwischen ihnen der Friede möglich.

Daher dürfen wir die Unterschiede und den Konflikt nicht weg wünschen, genauso wenig,
wie wir auch den Schatten und das Böse nicht weg wünschen dürfen. Sie gehören zur Wirk­lichkeit.

Wenn es zwei einander entgegengesetzte Kräfte gibt oder wenn das eine Volk gegen das andere steht oder die eine Religion gegen eine andere, dann wäre der Weg zur Versöhnung, dass sie beide anerkennen, dass sowohl das eine wie das andere von etwas Höherem gesteuert wird. Im Hinblick auf dieses Höhere wird die Unterscheidung von gut und böse oder von besser oder schlechter aufgehoben, ohne dass die Unterschiede aufgehoben werden. Im Blick auf dieses Größere werden sie gleich.

Aus: Bert Hellinger, Die Zukunft des Familien-Stellens. Eine Standortbestimmung
in: Praxis der Systemaufstellung 1/2002. S. 16f