Was sind Aufstellungen, und wie dienen sie der Versöhnung?
Aufstellungen sind ein Verfahren, das in seiner heutigen Form von dem deutschen Philosophen Bert Hellinger entwickelt worden ist. Zunächst wurden Aufstellungen im Sinne von Familientherapie angewendet, und zwar in Gruppenarbeit. Einzelne Teilnehmer nannten ihr Anliegen, meistens Probleme in der Paarbeziehung oder mit den Kindern, oder Probleme mit der Gesundheit.
Der Aufsteller wählt nun andere Mitglieder der Gruppe aus, stellt sie in den Raum und erklärt, in welcher Rolle sie dort stehen, zum Beispiel einer als Vater und einer als Sohn. Diese Stellvertreter werden aber nicht darüber informiert, was es mit der Beziehung von Vater und Sohn auf sich hat. Trotzdem erfahren sie nun innerlich Gefühle, auch körperliche Empfindungen oder ein Wissen, die nicht zu ihnen persönlich gehören, sondern zu den Personen, die sie repräsentieren.
Dieses so genannte Stellvertreter-Phänomen kann jeder erfahren. Es sind dafür keine besonderen Begabungen oder Schulungen nötig. Jeder kann unmittelbar selbst erleben, dass er auf einer geistigen Ebene mit jeder beliebigen anderen Person, aber auch mit Kollektiven von Menschen oder mit Tieren, in Verbindung treten kann. Diese Erfahrung führt die Arbeit mit Aufstellungen über den Bereich von Therapie im herkömmlichen Sinn hinaus.
Durch die Aufstellungsarbeit erleben wir immer wieder, dass scheinbar persönliche Probleme fast immer etwas mit unseren Vorfahren zu tun haben, aber auch den großen geschichtlichen Bewegungen.
Ich erinnere mich an eine Aufstellung für einen Mann, einen Griechen, der in Deutschland lebt. Sein Problem war, dass ihn immer wieder, auch bei geringen Anlässen, eine Welle der Wut ergriff und er dazu neigte, gewalttätig zu werden. Der Stellvertreter in der Aufstellung hatte eine Eingebung, er sei ein Kind und er stünde zwischen Toten, die in der Gegend verstreut lagen. Er hatte das Gefühl, er müsse all diese Toten begraben und „Ordnung“ machen – aber er war doch nur ein Kind.
Nachfragen ergaben später, dass das griechische Heimatdorf des Mannes vor vielen Jahrzehnten von bulgarischen Soldaten überfallen worden war, die ein Massaker unter der Bevölkerung anrichteten. So wirken die geistigen Energien von Ereignissen vor vielen Jahren, manchmal Jahrhunderten, in das Leben der Menschen heute hinein, ohne dass die sich dessen bewusst wären.
Wie können nun Aufstellungen auf Versöhnung und Frieden hin wirken? Einmal, indem die vergessenen Opfer in der Aufstellung gesehen werden. Ihre Wirklichkeit wird anerkannt und kommen dadurch sichtbar zur Ruhe, endlich. Um dorthin zu gelangen, muss sich der Aufsteller jeder Parteinahme enthalten.
Wenn wir Opfer und Täter als Gruppen aufstellen, dann sehen wir oft, wie beide Gruppen von einer ähnlichen Energie angetrieben werden. Beide sind Teile einer größeren Bewegung. Sie werden, wie Hellinger es formuliert, von einer größeren Macht in den Dienst genommen. Diese Bewegung, die auch in der Aufstellung die Stellvertreter ergreift, nimmt am Ende alle auf eine andere Ebene des Bewusstseins mit. Sie führt auch jene, die sich vorher als Todfeinde begegneten, auf eine geistige Ebene, wo sie sich als Gleiche erkennen können.
Thomas Gehrmann
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